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Im Ranking ganz vorne: Polizisten sollen Falschanzeigen für ihre Karriere geschrieben haben

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Foto 1“Wenn jeder Treffer zählt” lautet die Überschrift über einem Beitrag in der Printausgabe des aktuellen SPIEGEL. Darunter heißt es: “Bundespolizisten machten offenbar Jagd auf Unschuldige”. Was dann im weiteren Text folgt, ist erschreckend. Gegen drei Berliner Bundespolizisten wird ermittelt, weil diese in einer Vielzahl von Fällen willkürliche Straf- und Ordnungswidrigkeitenanzeigen geschrieben haben sollen, um ihre persönliche Erfolgsbilanz aufzubessern und damit die Chancen auf Beförderung zu erhöhen. Zwei von ihnen sind inzwischen vom Dienst suspendiert, Ermittler des mit dem Fall befassten Landeskriminalamtes sprechen von “schwerwiegenden Vorwürfen”.

Hintergrund des schändlichen Treibens sollen inzwischen verbotene Zielvereinbarungen zwischen dem Berliner Bundespolizeichef Striethörster und den nachgeordneten Dienststellen gewesen sein, wonach “Fahndungstreffer” aufgrund von durchgeführten Fahndungsanfragen als Kennzahlen mit 60 Prozent in die Erfolgsbilanz der jeweiligen Dienstgruppen eingeflossen sind.

Wie kommt man zu einer möglichst hohen Zahl von Fahndungstreffern? Im vorliegenden Fall soll das wie folgt abgelaufen sein: Die Bundespolizisten sind mit dem erklärten Ziel, Anzeigen zu schreiben, zumeist in den Bahnhofsbereich losgezogen, wo sie bevorzugt Obdachlose und Trinker (manchmal fällt das ja durchaus zusammen) kontrollierten. Da wurden dann schnell ein paar Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch gegen solche, die sich trotz eines Hausverbots im Bahnhof aufhielten, geschrieben, ohne die Leute zunächst anzuhalten, das Bahnhofsgelände zu verlassen. In etlichen Fällen sollen solche Anzeigen auch geschrieben worden sein, obwohl sich die Betroffenen gar nicht im Bahnhof selbst, sondern nur auf dem Vorplatz aufhielten, was einerseits nicht verboten ist und andererseits auch gar nicht in den Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei gefallen wäre. Da wurde das Geschehen dann eben mal wahrheitswidrig in den Bahnhof hineinverlegt.

Beliebt sollen auch Anzeigen wegen Widerstandleistung gewesen sein, weil die angesprochenen Personen angeblich gegen die Beamten aggressiv geworden seien. Dabei soll es seitens der Bundespolizisten zu verbalen (und wohl auch körperlichen) Übergriffen gekommen sein. Die Beamten sollen dunkelhäutige Mitbürger als “Nigger” beschimpft und in einem Fall gegenüber einem polnischen Mitbürger geäußert haben, sein Vater wäre mal besser im Dritten Reich vergast worden.

Ansonsten gab es jede Menge von Ordnungswidrigkeitenanzeigen, die schnell geschrieben waren. Zum Beispiel wegen verbotswidrigen Rauchens im Bahnhof.

Wie das bei Obdachlosen und Betrunkenen, die sich nicht ausweisen können, nun Mal so ist, konnten Anhörungsbögen oder Bußgeldbescheide diesen regelmäßig nicht zugestellt werden. Also wurden sie zur Fahndung ausgeschrieben. Die Beamten wussten natürlich, wo sie ihre Opfer regelmäßig antreffen konnten und schleppten diese dann zur Wache. So etwas nennt man “Fahndungstreffer”. Dass die Verfahren häufig im Sande verliefen, änderte nichts an der statistischen Erfolgsbilanz.

Die drei in Lichtenberg tätigen Beamten sollen in gut zweieinhalb Jahren 1189 einschlägige Vorgänge in das “Vorgangsbearbeitungssystem Artus Bund” eingegeben haben. Das war gut ein Viertel der gesamten Reviermeldungen. Damit lagen sie im internen Bundespolizei-Ranking ganz weit vorne.

Nachdem das OVG Koblenz  im Oktober 2012 das sogenannte “Racial Profiling” – damit ist das gezielte Herauspicken von Ausländern und Obdachlosen gemeint – im Rahmen von verdachtsunabhängigen Personenkontrollen verboten hatte, erließ der damals noch neue Bundespolizeipräsident Romann bereits im Januar 2013 eine Weisung, wonach die Trefferzahlen bei der Fahndung aus den Zielvorgaben zu streichen seien. Das hat der Berliner Bundespolizeichef Striethörster laut SPIEGEL nicht umgesetzt. Der soll auch noch 2014 die “Fahndungstreffer” zum entscheidenden Merkmal für die Erfolgsbilanz der Dienststellen erklärt haben. Danach befragt, soll Striethörster eingeräumt haben, die Zielvereinbarung sei “unrichtig formuliert gewesen”. Eine reichlich euphemistische Umschreibung eines skandalösen Verhaltens, finde ich.

Ein Kollege der drei beschuldigten Bundespolizisten soll geäußert haben, die Inspektionschefs von Haupt- und Ostbahnhof hätten in einem Dauerwettstreit um Aufgriffe gestanden. Je besser die Zahlen, umso größer seien auch ihre Aufstiegschancen gewesen. Deshalb seien die in den jeweiligen Einheiten tätigen Bundespolizistinnen und -polizisten auf die Zielerreichung eingeschworen worden, frei nach dem Motto: ” Wenn du nicht mitspielst, wirst du hier nichts mehr”.

Bei dem von den Dienstvorgesetzten ausgeübten Druck fällt es mir schwer zu glauben, dass nur drei Bundespolizisten einer einzigen Dienststelle über die Stränge geschlagen sind. Aber immerhin ist das Problem jetzt erkannt worden und es bleibt zu hoffen, dass nachhaltig Abhilfe geschaffen wird. Ob das denen hilft, die vielleicht schon aufgrund von Falschbeschuldigungen verurteilt und mit Bußgeldbescheiden belegt worden sind, ist eine andere Sache.


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